Die Situation
Sehen Sie hier das Video: RKL-Präsident Dr. Helmut Graupner zur Geschichte des RKL

-> Interview von Standard-Journalistin und Autorin Irene Brickner mit RKL-Präsident Helmut Graupner, in: Hladschik & Steinert (Hrsg), Menschenrechten Gestalt und Wirksamkeit verleihen - Making Human Rights Work - Festschrift Manfred Nowak & Hannes Tretter (NWV Wien Graz 2019)>
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Zu Beginn des dritten Jahrtausend ist es gleichgeschlechtlich l(i)ebenden, transidenten und intergeschlechtlichen Menschen in unserem Land immer noch nicht möglich, ihr Leben und ihre Liebe in Gleichberechtigung und Würde zu leben. Noch immer...
sind sie vielfältiger Diskriminierung in allen Lebensbereichen (Arbeitswelt, Wohnen u.v.a.m.), bis hin zu Misshandlung und roher Gewalt, ausgesetzt. werden homo- und bisexuelle Männer in diskriminierender Weise strafrechtlich nach dem § 209-„Ersatzparagrafen“ (§ 207b Strafgesetzbuch) verfolgt und verurteilt. warten die Opfer der homophoben Sonderstrafgesetzgebung der 2. Republik auf Rehabilitierung und Entschädigung. gewährt die österreichische Rechtsordnung nur in Teilbereichen und unzureichend Schutz gegen Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität. besteht das Blutspendeverbot für Männer, die Sex mit Männern haben sind Genitalverstümmelungen durch geschlechtsbestimmende Operationen an intergeschlechtlichen Kindern nicht ausdrücklich verboten besteht der Diagnose- und Begutachtungszwang für Transpersonen als Voraussetzung für eine rechtliche Anerkennung in ihrem wahren Identitätsgeschlecht sind die gefährlichen Konversionstherapien ("Homoheilungen") nicht verboten werden HIV-positive Menschen und Menschen mit Aids ausgegrenzt.
Sexuelle Beziehungen zwischen Frauen und solche zwischen Männern waren in Österreich bis 1971 zur Gänze verboten. Die sog. "Unzucht wider die Natur mit Personen desselben Geschlechts" wurde nach den §§ 129 und 130 des Strafgesetzes 1852 mit schwerem Kerker bis zu fünf Jahren bestraft. Die kleine Strafrechtsreform ersetzte dieses Totalverbot der Homosexualität durch vier neue Bestimmungen, von denen eine – nämlich das Verbot der männlichen homosexuellen Prostitution, § 2 StGB – 1989 und zwei weitere - nämlich das Verbot der „Werbung für Unzucht mit Personen des gleichen Geschlechts“ (§ 220 StGB) sowie der „Verbindungen zur Begünstigung gleichgeschlechtlicher Unzucht“ (§ 221 StGB) - 1997 aufgehoben wurden.
Bis 2002 jedoch galt in Österreich für schwule Beziehungen ein diskriminierendes Mindestalter von 18 Jahren (§ 209 StGB), zusätzlich zur allgemeinen (für heterosexuelle, lesbische und schwule Beziehungen gleichermaßen gültigen) Mindestaltersgrenze von 14 Jahren (§§ 206, 2907 StGB). § 209 wurde durch den Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben (VfGH 21.06.2002, G 6/02, [mehr infos dazu]) und trat am 14.08.2002 außer Kraft (Art. I Z. 19b, IX StRÄG 2002, BGBl I 134/2002, www.bgbl.at). Das anti-homosexuelle Sonderstrafgesetz ist aber nicht ersatzlos gestrichen worden, sondern es hat die Parlamentsmehrheit aus ÖVP und FPÖ gegen den erheblichen Widerstand von Expertenseite, der Jugendorganisationen und des größten Teils der Öffentlichkeit, eine Ersatzbestimmung, § 207b StGB, geschaffen. Die Hauptargumente gegen die § 209-Ersatzbestimmung.
Seit der Aufhebung des § 209 StGB dringen wir auf die Rehabilitierung und Entschädigung aller Gefangenen sowie auf die Rehabilitierung und Entschädigung aller § 209-Opfer und beobachten genau die Vollziehung der § 209-Ersatzbestimmung, § 207b StGB.
Nach der Einführung des Sonderinstituts der eingetragenen Partnerschaft (01.01.2010) haben wir erfolgreich die Ehegleichheit und die völlige Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare im Familienrecht ebenso erkämpft wie die Beseitigung des Scheidungszwangs und des Operationszwang für transidente Personen und die Anerkennung einer dritten Geschechtsoption abseits von "männlich" und "weiblich'" ("Drittes Geschlecht") (siehe Unsere größten Erfolge).
Dennoch dürfen in Österreich Menschen immer noch legal wegen ihrer sexuellen Orientierung aus Taxis, Kaffeehäusern, Restaurants und anderen Lokalitäten geworfen werden, ihnen deshalb Hotel- und Pensionszimmer sowie Mietwohnungen verweigert und sie in allgemeinbildenden Schulen aus diesem Grund sanktionslos gemobbt werden. All das ist (anders als bei Geschlecht, Rasse, ethnischer Herkunft und Behinderung) nach wie vor legal: im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhundert, trotz Ehe für Alle, und anders als in all den Ländern ringsum (auch im Osten) (siehe unsere Europakarte).
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